Großes Welttheater

Panorama Museum Bad Frankenhausen

Ein Bauernkriegspanorama soll Werner Tübke im Auftrag der DDR malen. Er aber fordert künstlerische Freiheit ein und schafft ein Meisterwerk voller Anspielungen. Mit einer dezentralen Landesausstellung in zwei Städten erinnert Thüringen an die Ereignisse 1525. Eine richtet das Panorama Museum in Bad Frankenhausen aus.

Silke Krage erzählt, was passiert, wenn Besucher zum ersten Mal vor dem Panoramagemälde stehen: „Im Saal angekommen bleiben wirklich alle abrupt stehen, rufen vielleicht noch ‚Oh!‘ oder ‚Das gibt es doch nicht‘ – und verstummen. Die meisten drehen sich dann 360 Grad im Kreis und suchen sich ein ruhiges Plätzchen, um den gewaltigen Eindruck zu verarbeiten.“ Silke Krage ist als Studentin ins Panorama Museum gekommen. Sie kennt Werner Tübkes Bild rund um die Bauernkriegsschlacht von 1525 seit 36 Jahren. Es hat sie seitdem nicht losgelassen. Nun hat die Leiterin des Museumsmanagements mit Direktor Gerd Lindner und dem Museumsteam die Landesausstellung „Der Welt Lauf“ auf die Beine gestellt. Sie zeigt vom 11. Mai bis 17. August, welche kunstgeschichtlichen Vorlagen der Leipziger Künstler nutzte, um seine Sicht auf die Welt des 16. Jahrhunderts auf die Leinwand zu bringen. Kreisrund ist sie aufgehängt, 14 Meter hoch und 123 Meter lang.

 

Sonderausstellung "Der Welt Lauf" im Panorama Museum
Landesausstellung 2025: freiheyt 1525 - 500 Jahre Bauernkrieg

Ein Museum – nur für ein Gemälde

Doch zurück zum Anfang: In den 1970er-Jahren sucht die DDR einen Künstler, der in Bad Frankenhausen ein Panorama schafft, das dem Deutschen Bauernkrieg und Thomas Müntzer gewidmet sein soll. Der Neubau für die geplante Gedenkstätte steht an dem Ort, an dem einst die entscheidende Schlacht mit Müntzer als Bauernanführer stattfand. Man fragt Maler der Leipziger Schule, die meisten winken ab. Sie schrecken nicht zuletzt davor zurück, sich über Jahre an eine solche Aufgabe zu binden. Nur Werner Tübke erbittet Bedenkzeit und verhandelt: Er fordert künstlerische Freiheit für sich und erhält dennoch den Zuschlag. Zunächst gestaltet der Künstler eine 1:10-Vorfassung, die 1982 bei einer Ausstellung in Dresden gefeiert wird.

Zuvor hat der Künstler sich vor allem kunstgeschichtlich dem Thema genähert, alte Flugblätter und Texte gesichtet. „Werner Tübke geht sehr frei mit historischen Vorlagen um“, erzählt Silke Krage. „Er nimmt Figuren und setzt sie in einen neuen Zusammenhang.“ So stößt man im Gemälde häufig auf scheinbar bekannte Szenen – solche Zitate gehören zum Konzept. In der Ausstellung „Der Welt Lauf“ werden in erster Linie Grafiken aus dem 16. Jahrhundert in den Kontext zum Panorama gestellt. Die Ausstellung ist ein Teil der dezentralen Thüringer Landesausstellung zum Thema Bauernkrieg. Der zweite Teil findet in Mühlhausen statt. Denn die Region war ja nicht nur Schauplatz eines Wendepunkts des Aufruhrs, sondern auch finaler Wirkungsort des radikalen Reformators Thomas Müntzer.

Werner Tübke und sein Meisterwerk

„Sein Tagebuch in historischen Gewändern“, nennt Werner Tübke das Panorama, in dem es etwa 3.000 Figuren und 75 Szenen – also jede Menge – zu entdecken gibt: eine Weltkugel, durch die ein tiefer Riss geht. Einen Fisch, der im Bauch einen Menschen trägt. Den Turmbau zu Babel. Luther, Cranach und weitere bekannte Gesichter der heraufziehenden Neuzeit. Eine große, chaotische Schlacht mit vielen Nebengeschichten, die zum Horizont hin verschwimmen.

Zwölf Jahre lang arbeitet der Maler an dem riesengroßen Bild, und immer wieder fließen natürlich eigene Stimmungen und Erlebnisse mit ein. Die Konturen der 1:10-Vorfassung werden Anfang der 1980er-Jahre quasi durchgepaust, vergrößert und auf die Leinwand übertragen. „Sie können sich das, was dort zunächst zu sehen war, wie ein 1.722 Quadratmeter großes Ausmalbuch vorstellen“, sagt Silke Krage. Auf dem Foto, das Werner Tübke im Malerkittel vor der Hinrichtungsszene zeigt, kann man unten und oben noch solche leeren Flächen erkennen. Und wie groß die Figuren im unteren Drittel des Bildes sind. Dort malt der Meister die Schlüsselszenen, während oben auf einem Gerüst weitere Künstler ganz in seinem Stil arbeiten – eine Malerwerkstatt wie zu Cranach-Zeiten. „Dieses riesenhafte Werk hat an Werner Tübke gezehrt“, berichtet Silke Krage, die den Künstler noch selbst kennengelernt hat. 1986 hat Tübke Angst, dass er es nicht zu Ende bringen würde. Aber das gelingt: Am 14. September 1989, kurz vor dem Mauerfall, wird das Museum eröffnet.

Hoffnung, Freiheit und Gerechtigkeit

Mehrere Tonnen Ölfarbe sind verarbeitet. 54 Männer haben die riesige Leinwand oben und unten an Stahlringen befestigt. Das Gemälde wird den Titel „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ tragen. Und es ist doch auch so viel mehr als das: eher ein Welttheater, das die Grundthemen der Menschheit thematisiert – Glaube, Liebe, Leid und Lust, Gut und Böse. Werner Tübke, der sein Werk übrigens nie interpretiert hat, soll beim Anblick der leeren Fläche launig gesagt haben: „Schon oft habe ich mich geärgert, dass ich beim Malen zu schnell an den Rand gekommen bin. Hier kann ich mich endlich einmal ausmalen.“

Und die Betrachter seines opulenten Werks können schauen, schauen, schauen. Sie werden immer wieder Neues entdecken. Aufmerksamkeit zieht bei vielen zunächst der Regenbogen auf sich, eigentlich ja Symbol für Hoffnung und Erneuerung. Doch der hier hat die Farben verkehrt herum. Und neben ihm werden unentwirrbar miteinander verschlungene Körper in einem Sog in die Tiefe gezogen, vorwiegend Vertreter der Obrigkeit. Auf der Weltkugel sitzt Justitia, die ihre Augenbinde abgenommen hat. Sie ergreift Partei: Die Waagschale neigt sich einem Bauern zu, der mit der Bibel auf dem Rücken am Boden kauert. Das Schwert zückt die römische Göttin der Gerechtigkeit gegen eine adlige Dame. Daneben, am Rand der Schlacht, weht die Fahne der Freiheit.

Arm und Reich – die Obrigkeit tafelt

Spannend ist auch die Szene mit den schmausenden Menschen am reich gedeckten Tisch. Ein Vertreter der Kirche tafelt ungeniert mit, er hat dem Betrachter aber lieber den Rücken zugewandt. Denn er predigt Wasser, trinkt aber selbst Wein. Was in diesem Ausschnitt nicht mehr zu sehen ist: An die reichen Leute, die sich hier gerade den Bauch vollschlagen, treten gebeugte, einfach gekleidete Bauern heran. Sie bringen die Gaben des Zehnten. Der Reichtum der Obrigkeit wird also erst durch die Ausbeutung anderer möglich. Die Posaunenbläser oben im Bild sind eine Anspielung auf die Offenbarung des Johannes – sie künden das Jüngste Gericht an. Werner Tübke spielt in seinem Meisterwerk also virtuos mit biblischen Szenen, historischen Begebenheiten und mittelalterlichen wie modernen Kunstzitaten. Er nimmt Besucher mit auf eine Reise quer durch die europäische (Kultur-) Geschichte und zu den Abgründen des menschlichen Daseins und Miteinanders.

Vor 500 Jahren haben die Bauern gleiche Rechte für alle eingefordert und sind gescheitert. Wie steht es heute um Freiheit und Gerechtigkeit? Warum gibt es immer noch so viele Kriege? Und wie können wir unsere Zukunft endlich friedlicher gestalten?

 

Veranstaltungen im Panorama Museum

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Panorama-Museum
 
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Text: Christiane Würtenberger ist stellvertretende Chefredakteurin sowie Textchefin bei der CMR Cross Media Redaktion GmbH
Titelbild: Florian Trykowski ist selbstständiger Werbefotograf und lizensierter Drohnenpilot. Neben seiner Tätigkeit als Konzert- und Bandfotograf liegt sein Arbeitsschwerpunkt auf Tourismus.

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